Lama Ngawang und Manuel Bauer sprechen zu „Sam Dzong – Ein Dorf zieht um“. Als Folge der globalen Klimaerwärmung fehlt dem nepalesischen Dorf Sam Dzong mit seinen 85 Einwohnern das Wasser. Nun müssen die Bewohner ihre seit Generationen angestammte Heimat an der tibetischen Grenze verlassen und sich mit all ihrem Hab und Gut ein neues Zuhause suchen – ein moderner Exodus. Das Projekt «Sam Dzong – Ein Dorf zieht um» von Manuel Bauer ist wesentlich mehr als eine fotografische Dokumentation. Berichterstattung und aktives Handeln sind darin eng verwoben. Seit 2008 engagiert sich Manuel Bauer für Sam Dzong.

Als der Fotograf Manuel Bauer 2008 zum ersten Mal nach Mustang fand, wollte er eigentlich bloss das lange für Reisende gesperrte ehemalige Königreich besuchen. Doch eines Nachts standen drei Männer aus dem entlegenen Dorf Sam Dzong vor seiner Tür. Sie hatten erfahren, dass in Mustang ein Mann weilte, der den Dalai Lama im Unterhemd gesehen habe. Also musste er wichtig sein und für sie – Buddhisten tibetischer Abstammung – der richtige, um ihre Verzweiflung anzuhören: dass die Wasserknappheit ihre Felder seit mehreren Jahren verdorren liess. Das Wort «Klimawandel» fehlte in ihrem Wortschatz. Dieser bewirkt, dass die einst ergiebigen Quellen mehr und mehr austrocknen, mit der Konsequenz, dass die Bauern ihre Felder nicht mehr wässern und ihre Familien nicht mehr ernähren können. Sie sind der Kollateralschaden einer Entwicklung, die irgendwo in weiter Ferne stattfindet.

 

Der Mönch Lama Ngawang Kunga Bista aus Mustang und Manuel Bauer haben sich daraufhin entschieden, die Menschen von Sam Dzong bei ihrem Umzug in eine bessere Zukunft zu unterstützen. Der König von Mustang schenkte das Land für die Umsiedlung, gelegen auf 3’800 Metern über Meer, in der nördlichsten Ecke des ehemaligen Königreichs Mustang. Allerdings war dieses Land von hunderten teils mannshohen Findlingen übersät und somit unbrauchbar. Manuel Bauer sammelte in der Folge mit Vorträgen in der Schweiz Spendengelder für die Räumungsarbeiten.

Die Menschen von Sam Dzong machten darauf das geräumte Land urbar und bauten ihre neuen Häuser. Die dafür nötigen Lehmziegel stellen sie in Handarbeit her. Doch das Holz für den Bau ist in der ariden Landschaft auf 4000 Metern Höhe Mangelware und muss zu einem grossen Teil aus tieferen Regionen importiert werden. Die dabei anfallenden Kosten konnten die Bauern unmöglich übernehmen. Lama Ngawang und Manuel Bauer haben sich entschlossen, die Menschen von Sam Dzong in dieser Situation nicht alleine zu lassen. Mit einem Artikel des Journalisten Christian Schmidt mit Bildern von Manuel Bauer im DAS MAGAZIN konnte dank grosszügiger Spenden das Bauholz finanziert werden.

Der Bau von 18 Häusern ist mittlerweile abgeschlossen. Am 19. Mai 2015 konnte das neue Dorf Namashung eingeweiht werden und im Herbst 2016 konnten die Sam Dzong Ngas am neuen Ort eine erste Ernte einbringen. Hochwasserschutz für das Dorf, das Planieren weiterer Felder, die Trinkwasserversorgung und die Hofmauern für die Tiere müssen noch bewältigt werden.

„Sam Dzong – Ein Dorf zieht um“ gewann den Publikumspreis des Greenpeace Photo Award 2014. Peter Pfrunder, Direktor der Fotostiftung Schweiz und Leiter der internationalen Jury des Greenpeace Photo Award 2014, schreibt: «Manuel Bauers Projekt ist wesentlich mehr als eine fotografische Dokumentation. Berichterstattung und aktives Handeln sind darin eng aneinandergekoppelt, und der Fotograf ist teilnehmender Beobachter im besten Sinn: Seinen Recherchen und Bildern ist es zu verdanken, dass er die Wassernot der Dorfbewohner und die verzweifelte Suche nach einem Ausweg als leicht verständliche, dramatische, aber auch berührende Geschichte erzählen kann. Bereits bisher konnte er damit beachtliche Unterstützung und materielle Hilfe mobilisieren. Das Vertrauen der porträtierten Menschen, die gekonnte Veranschaulichung komplexer Zusammenhänge sowie eine tiefe Faszination für die Schönheiten von Natur und Kultur – all dies zeichnet Manuel Bauers Fotoarbeit aus. Sam Dzong wird darin zu einem exemplarischen Fall, einer Metapher für viele ähnliche Klima-Notfälle auf der ganzen Welt».